Im Anschluss an die Abstimmung im schwedischen Parlament am 11. Juni 2008, in Bezug auf die vier Anträge der Aufforderung an Schweden zu erkennen, die 1915 Genozid in osmanischen Türkei. Der auswärtige Ausschuss hat empfohlen, die Ablehnung der Anträge auf der Grundlage der "Uneinigkeit unter den Forscher" und "die Notwendigkeit weiterer Forschung".
Der armenische Genozid, welcher auch die Assyrer, pontischen Griechen und andere Minderheiten im ottomanischen Reich vernichtete, begann vor mehr als neun Jahrzehnten im Jahr 1915, aber dieses Thema gewinnt umso mehr an Dringlichkeit, umso länger die Verleugnung diese Verbrechens fortwährt. Der Genozid, oder die „Auslöschung“, wie sie von der internationalen Presse und diplomatischen Korps tituliert wurde, war eine bestätigte Tatsache für die Weltgemeinschaft. Während der kurzen Nachkriegszeit, die auf die Niederlage der Türkei im Jahre 1918 bis hin zum Aufstieg der türkisch-nationalistischen Bewegung unter Mustafa Kemal folgte, wurde die Auslöschung der Armenier offen diskutiert. Die türkischen Kriegsgerichtstribunale stellten politische und militärische Führer für angebliche „Kriegsverbrechen“ und „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ vor Gericht. Etliche der Angeklagten wurden für schuldig befunden und entweder zum Tode oder zu Gefängnisstrafen verurteilt. Die Nachkriegstürkei durchlief eine Phase ähnlich Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg. Während dieser Verfahren wurde die Wahrheit über die Verfolgund der Minderheiten im ottomanischen Reich mit erschreckenden Details ans Licht gebracht.
Dieser Prozess währte jedoch nicht lange an. Der Aufstieg der türkischen nationalistischen Bewegung und die Ablehnung der Regierung des Sultans führen letztendlich zur Auflösung der Tribunale und der Freilassung der meisten Angeklagten. Beinahe die gesamte christliche Bevölkerung – Armenier, Assyrer und Griechen – wurden von ihrer Heimat von mehreren Jahrhunderten gesäubert. Viele der Gerichtsdaten und –protokolle verschwanden, und die Türkei trat in eine Periode, währen derer versucht wurde alle Spuren armenischer Existenz in Anatolien und dem historischen armenischen Plateau im Osten zu löschen.
Neun Jahrzehnte später, der einst sogenannte „vergessene Genozid“ ist nicht mehr vergessen und sichert die zunehmende Aufmerksamkeit in akademischen und politischen Kreisen. Er wird als ein Prototyp von Massentötungen im zwanzigsten Jahrhundert angesehen und kann daher als eine der erfolgreichsten Kampagnen von Genozid und ethnischer Säuberung erachtet werden. Die Schikanen gegen die Armenier wurden auf die Assyrer, Griechen, Yeziden und sogar die kurdische Bevölkerung ausgeweitet, welche einer extensiven „sozialtechnischen Planung“ durch erzwungene Um- und Aussiedlungen unterzogen wurden. Wie es sich ereignete, wurden die türkischen Behörden zu den Begünstigten eines „Armeniens ohne Armenier“ und entkamen – trotz weltweiter Zusicherungen und Versprechen die Täter zu bestrafen – jeglicher Verantwortung für diese Verbrechen. Heute setzt die Türkei einen aktiven Einsatz der Verleugnung ein. Schweigen und Passivität in jenem Teil der Weltgemeinschaft, Schweden inklusive, können nur diesen Einsatz unterstützen und begünstigen. Alle Argumente hinblicklich des Bedürfnisses nach weiteren Forschungen oder das Fehlen von eines Konsens unter Wissenschaftlern sind fadenscheinig. Die Archive jedes großen Landes in Europa lassen keinen Zweifel über die Kampagne der Auslöschung, welcher sich unter dem Mantel eines Weltkonflikts ereignete. Leugnende Argumente sind alle politisch motiviert und haben nichts mit historischen Aufzeichnungen zu tun. Sie sind nicht glaubwürdiger als jene der Holocaustleugner wie zum Beispiel Robert Faurisson, David Irving, Willis Carot und Ernst Zündel.
Raphael Lemkin, der den Begriff Genozid in den 1940ern prägte und der wesentliche Verfasser der UN-Konvention zur Verhütung und Bestrafung des Völkermords war, war zuinnerst wissend hinblicklich des armenischen Unglücks und dem Versagen der internationalen Gemeinschaft zu intervenieren oder zumindest die Urheber des Genozids zu bestrafen. Jüngste Studien legen dar, wie sehr er vom Ausbleiben eines effektiven internationalen Mechanismus zu der Zeit betroffen war. Er war ebenso beunruhigt über die Verfolgung und Massaker an den Assyrern im Irak in den 1930er Jahren. Überdies bestätigen neu durchgeführte Studien an der Universität von Uppsala, dass das schwedische auswärtige Amt und die Regierung – entsprechend der Berichte von Botschafter Per Gustaf August Cosswa Anckarsvärd’s und Militärattaché Einar af Wirsén – sehr wohl über die Auslöschung im ottomanischen Reich wussten.
Heute wird Schweden international als Verfechter der Menschenrechter angesehen. Es obliegt den schwedischen Behörden dieser Reputation zu entsprechen und jeglichen Ausgleich der Verneinung und Leugnung abzulehnen. Die schwedische Regierung sollte versuchen die Türkei zu unterstützen eine bessere Demokratie zu werden durch die Auseinandersetzung mit ihrer Geschichte und der Anerkennung der Wahrheit, nicht jedoch durch die Fortführung des Schwankens in der Dunkelheit der Selbsttäuschung und Vortäuschungen.
Heute sind die Daten und Informationen über den Genozid an den Armeniern, den Assyrern und den pontischen Griechen so reichhaltig, dass kein ernsthafter Politiker ungelogenerweise mangelhafte oder nicht eindeutige Studien als eine Entschuldigung zur Vermeidung der Anerkennung anführen kann. Die Weigerung bewiesene Fakten anzuerkennen, welche auf qualitativen und quantitativen Studien basieren, kann der Leugnung gleichkommen. Auch gibt es keinerlei Basis für die Anspielung auf die chronologische Zeitlinie des Genozids und der Anwendung der Konvention, da dies implizierte, dass der Holocaust von der Konvention ebenfalls nicht anerkannt würde. Die Forschwer haben das ihrige dazu getan die Wahrheit des Genozids von 1915 zu beweisen. Nun sind die politischen Führer an der Reihe ihre Verantwortung durch die Anerkennung der Desaster, welche sie waren, zu erfüllen.
Die Unterzeichnenden dieses Briefes erwägen keinerlei Zweifel daran, dass die Massaker an den christlichen und anderen Minderheiten im ottomanischen Reich während des ersten Weltkriegs einen Genozid begründen. Obgleich weiterhin Forschungen betrieben werden und müssen, sind die bestehenden Informationen überzeugend und müssen als solche anerkannt werden.
Adam Jones
Außerordentlicher Professor, Politikwissenschaften, Universität von British Columbia Okanagan
Åke Daun
Professor Emeritus der Ethnologie, insbesonderen Europäisch, Stockholm Universität
Alex Grobman
Präsident des Instituts für zeitgemäßes Jüdisches Leben und dem Brenn Institut
Alexandre Kimenyi
Professor der Linguistik, Ethnische Studien und Afrikanischen Sprachen an der California State University, Sacramento
Alexis Herr
Doktoratsstudent, Strassler Familienzentrum für Holocaust- und Genozidstudien, Clark Universität
Alfred Grosser
Professor Emeritus, Institut d'Études Politiques de Paris, Autor des Vorworts zu Vahakn Dadrians‚ Histoire du génocide arménien’, Paris, 1996
Alfred de Zayas
Professor für Völkerrecht, Geneva School of Diplomacy
Oberster Anwalt im Ruhestand der United Nations
Vormaliger Sekretär des UN Menschenrechtskomitees
Vormaliger Leiter der Gesuchsabeilung im Büro des UN Hohen Kommissars für Menschenrechte
Präsident, P.E.N. International, Centre Suisse Romand
Anatoly M. Khazanov
Ernest Gellner Professor der Anthropologie, Universität von Wisconsin-Madison
Anders Hultgård
Professor Emeritus der Religionsgeschichte, Theologische Fakultät, Uppsala Universität, Schweden
Bruno Chaouat
Außerordentlicher Professor für Französisch, Zentrum für Jüdische Studien, Universität von Minnesota
Charles Eric Reeves
Professor der Englischen Sprache and Literatur am Smith College in Northampton, Massachusetts
Christian P. Scherrer
Professor der Friedensstudien, Hiroshima Universität und Hiroshima Friedensinstitut, Hiroshima, Japan
Claude Mutafian
Außerordentlicher Professor der Mathematik und Oberster Dozent, die Paris 13 Universität in Villetaneuse
Doktorat in Geschichte, Paris 1 Pantheon-Sorbonne Universität
David Gaunt
Professor der Geschichte, Södertörn Universitätskollegium, Schweden
Debórah Dwork
Rose Professor der Holocaustgeschichte
Direktor, Strassler Zentrum für Holocaust- und Genozidstudien, Clark Universität
Dickran Kouymjian
Professor der Geschichte, Direktor des armenischen Studienprogramms, California State University, Fresno
Donald E. Miller
Geschäftsführender Direktor, Zentrum für Religion und bürgerliche Kultur, University of Southern California
Douglas Greenberg
Professor der Geschichte
Geschäftsführender Direktor, USC Shoah Stiftung Institute for Visual History and Education, College of Letters, Arts & Sciences, Leavey Library, University of Southern California
Elizabeth R. Baer
Professor für Englisch und Genozidstudien, Gustavus Adolphus College in St. Peter, Minnesota
Ellen J. Kennedy
Interimsdirektor, Zentrum für Holocaust- und Genozidestudien
Koordinator, Genocide Intervention Network, Minnesota
Eric D. Weitz
Habilitierter Professor und Ordinarius der McKnight Universität, Geschichtsinstitut, Universität von
Minnesota
Ervin Staub
Professor der Psychologie und Gründungsdirektor des Doktoratsprogramms in der Psychologie des Friedens und der Prävention von Gewalt, Emeritus, University of Massachusetts at Amherst
Franklin Hugh Adler
Vorsitzender G. Theodore Mitau
DeWitt Wallace Professor, Institut für Politikwissenschaften, Macalester College
George Andreopoulos
Professor der Politikwissenschaften, Direktor des Zentrums für Menschenrechte am John Jay College of Criminal Justice, City University of New York
Heidi Armbruster
Lecturer, School of Humanities, University of Southampton, UK
Helen Fein
Geschäftsführende Direktorin des Instituts für Studien des Genozids, Assistant am Belfer Zentrum für Wissenschaft und Internationale Angelegenheiten an der Kennedy School of Government, Harvard Universität
Herb Hirsch
Professor der Politikwissenschaften und Mitherausgeber, ‚Genocide Studies and Prevention’
L. Douglas Wilder School of Government and Public Affairs, Virginia Commonwealth University, Richmond
Irving Louis Horowitz
Rutgers, The State University of New Jersey Hannah Arendt habilitierter Professor Emeritus für Soziologie und Politikwissenschaften
James E. Young
Professor für Englisch und Jüdische Studien, Universität von Massachusetts
John K. Roth
Edward J. Sexton Professor Emeritus der Philosophie
Gründungsdirektor, The Center for the Study of the Holocaust, Genocide, and Human Rights, Claremont McKenna College, Kalifornien
Kirk C. Allison
Programmdirektor, Programm für Menschenrechte und Gesundheit, School of Public Health, Universität von Minnesota
Klas-Göran Karlsson
Professor der Geschichte, Lund Universität, Schweden
Kostas Fraggidis
Sekretär, Evxinos Pontos Stockholm, Schweden
Kristian Gerner
Professor der Geschichte, Lund Universität, Schweden
Lars M. Andersson
Oberster Dozent, Abteilung für Geschichte, Uppsala Universität, Schweden
Linda M. Woolf
Professor der Psychologie, Webster Universität, Missouri
Manus I. Midlarsky
Moses und Annuta Back Professor des internationalen Friedens und Konfliktbeilegung, Rutgers
Universität, New Brunswick
Martha Minow
Mitglied der Bildungsfakultät
Jeremiah Smith, Jr. Professor, Harvard Law School
Michael Dobkowski
Professor der Religionsstudien, Hobart and William Smith Colleges
Michael Mann
Professor, Abteilung für Soziologie, Universität von Kalifornien, Los Angeles
Norman Naimark
Robert and Florence McDonnell Professor für osteuropäische Studien, Stanford Universität
Omer Bartov
John P. Birkelund Distinguished Professor für europäische Geschichte, Abteilung für Geschichte, Brown Universität
Ove Bring
Professor für Völkerrecht, Schwedisch National Verteidigung College in Stockholm, Schweden
Paul A. Levine
Oberster Dozent für Holocaust Geschichtsbildung, Direktor, Holocaust- und Genozidstudien, Uppsala Universität, Schweden
Rachel Hadodo
Vorstandsvorsitzende, Union der Assyrischen Verbände in Schweden
Raffi Momjian
Vorsitzender und geschäftsführender Direktor, The Genocide Education Project, San Francisco
Raymond Kévorkian
Professor, Institut Français de Géopolitique, Université Paris 8 Saint-Denis
Richard G. Hovannisian
Professor für armenische und Nahost-Geschichte, Universität von Kalifornien, Los Angeles
Robert Melson
Cohen-Lasry habilitierter Professor, Strassler Zentrum für Holocaust- und Genozidstudien, Clark Universität
Roger W. Smith
Professor Emeritus, Abteilung für Regierung, College of William and Mary, Virginia
Vormaliger Präsident, International Association of Genocide Scholars
Ronald Grigor Suny
Charles Tilly Kollegiatsprofessor für Sozial- und Politikgeschichte, Universität von Michigan
Professor Emeritus der Politikwissenschaften und Geschichte, Universität von Chicago
Rudolph Joseph Rummel
Professor Emeritus der Politikwissenschaften, Universität von Hawaii
Sandra Tatz
Direktorin der Australischen Gesellschaft für Holocaust & Genozidstudien
Saul P. Friedlander
Professor, Abteilung für Geschichte, UCLA
Shelly Tenenbaum
Professor der Soziologie, Undergraduate Activities Koordinatorin, Strassler Zentrum für Holocaust- und Genozidstudien, Clark University
Stanley Payne
Professor Emeritus, Abteilung für Geschichte, Universität von Wisconsin
Steven Leonard Jacobs
Aaron Aronov Stiftungsvorsitz für jüdische Studien
Außerordentlicher Professor für Religionsstudien, Universität von Alabama
Herausgeber, ‘the Papers of Raphael Lemkin‘
Erster Vize-Präsident, International Association of Genocide Scholars
Susan Ashbrook Harvey
Professor der frommen Studien, Brown-Universität
Tessa Hofmann
Doktorat in Soziology, Abteilung für Soziologie, Institut für osteuropäische Studien, Freie Universität Berlin
Tigran Sarukhanyan
Mitglied der International Association of Genocide Scholars
Gastforschungsstipendiat (PRO), Official Archives of Great Britain
Humboldt Stipendiat, Universität von Göttingen, Deutschland
Tuomas Martikainenbr
Ph.D., Habilitationsforscher, Akademie von Finnland, Åbo Akademi Universität, Abteilung der vergleichbaren Religion
Vahagn Avedian
Vorstandsvorsitzender, Union der armenischen Verbände in Schweden
Chefredakteur, Armenica.org
William Hewitt
Professor, Holocaust- und Genozidprogramm, West Chest University of Pennsylvania
Winton Higgins
Direktor der Australischen Gesellschaft für Holocaust & Genozidstudien
Gastforschungsstipendiat, Institut für internationale Studien, University of Technology, Sydney
Wolfgang Gust
Herausgeber der offiziellen Dokumente des deutschen auswärtigen Amtes über den armenischen Genozid
Yair Auron
Professor der Soziologie, Leiter der Abteilung für Soziologie, Politikwissenschaften und Kommunikation, The Open University of Israel, Jerusalem
Yehuda Bauer
Professor Emeritus, Harman Institute of Contemporary Jewry, Fakultät der Geisteswissenschaften, Hebrew University of Jerusalem
Yves Ternon
Dotkorat in Geschichte, Paris 4-Sorbonne University. HDR, Université Paul Valéry-Montpellier 3
Übersetzung: B. Hartunian-Tahmasians
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